Freitag, 27. März 2015

Herzensangelegenheit - mal was in eigener Sache (Blogparade)

Da es mir schon lange mal auf der Seele brannte euch etwas über mich zu erzählen, habe ich jetzt einfach eine Blogparade dafür genutzt. Das Thema ist "mein Leben mit/als...". Da ich einen angeborenen komplexen Herzfehler habe, will ich euch ein bisschen was darüber erzählen...

Ich lese viel und ich lese gerne. Heute habe ich mit dem Buch "Stellen Sie sich nicht so an" angefangen und es geht mir direkt unter die Haut. Und das nur, weil ich genau wie Die Schriftstellerin Lioba Werremann, einen angeborenen Herzfehler habe. Deswegen jetzt mal ein "Roman" über mich.



Für viele außenstehende lebe ich ein normales Leben und sehe auch sehr normal aus, aber der Schein trügt. Ich habe einen komplexen (damals) inoperablen Herzfehler, der mich immer wieder in die Knie zwingt und mir die Puste nimmt.
Mein Leben auf dieser Welt begann im Mai 85. Ich kam in Mannheim zur Welt, dort stellte man fest, dass mit meinem Herzen etwas nicht stimmte und da es in Mannheim noch keine Kinderkardiologie gab, ging es für mich direkt nach Aachen in die Uniklinik. Mit dem Hubschrauber (Na toll, da darf man mal Hubi fliegen und bekommt nichts davon mit).
Dort wurde dann mein Herzfehler genau untersucht und benannt...

  • Double inlet left Ventricle (Univentrikuläres Herz)
  • TGA (D-Malpositionsstellung der großen Arterien)
  • valvuläre und subvalvuläre Pulmonalstenose
  • Aortenisuffizienz
Soooo, wisst ihr jetzt Bescheid!? ;) Na ich bin mal nicht so und versuche mal ein bisschen und kurz zu erklären... Wie das Herz aufgebaut ist, wisst ihr ja bestimmt...

Vom linken Vorhof gelangt das Blut in die linke Herzkammer. Diese pumpt das Blut durch die Aorta in die Arterien. Hierbei handelt es sich um jene Blutgefäße, die das sauerstoffreiche Blut im Körper verteilen. In den einzelnen Organen gelangt das Blut dann in Kapillare, dünne Verästelungen. In diesen wird dann der Sauerstoff aus dem Blut an die umliegenden Gewebe abgegeben. Zugleich nimmt das Blut Kohlendioxid und andere Stoffwechselprodukte auf.Über die Venen wird es in das Herz zurücktransportiert – allerdings nicht in die linke Vorkammer, sondern in die rechte. Von dort gelangt es weiter in die rechte Herzkammer. Diese pumpt das Blut weiter in die Lunge. In dieser wird das Kohlendioxid an die Atemluft abgegeben. Indem wir ausatmen, wird es dann endgültig aus unserem Körper entfernt. Zugleich entzieht das Blut in der Lunge der Luft, die wir einatmen, Sauerstoff. Das nun wieder sauerstoffreiche Blut wird jetzt weiter in die linke Vorkammer des Herzens transportiert und der Kreislauf beginnt wieder von vorne.

Mein Problem bei dem Herzfehler ist nicht mal die TGA (das bedeutet, dass die großen Gefäße getauscht sind, Die Aorta entspringt also nicht dem Linken sondern dem rechten Ventrikel und umgekehrt), sondern die eine Herzkammer. Denn darin mischt sich sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Blut. Dadurch liegt meine Sättigung bei 77-80% (man bedenke ein gesunder Mensch hat 99-100%). Dies wiederum führt zu einer Zyanose (Blaufärbung... Ist ständig an meinen Fingernägeln und meinem Lippen), meinen absolut hässliche Uhrglasnägeln und zu Kurzatmigkeit. Ich bin also extrem eingeschränkt in allem was ich tue.


Aber zurück ins Jahr 1985 ^^ Meinen Eltern wurde damals in Aachen gesagt der Herzfehler sei zwar inoperabel aber relativ gut balanciert und das war mein Glück.... Trotzdem wurde gesagt ich würde nicht alt werden, ich würde mich bestimmt nicht richtig entwickeln und würde dadurch auch in der Schule etc zurückbleiben. Was mich sehr traurig macht, ist die Tatsache, dass meine Mutter gestorben ist, als ich neun war und sie dadurch nicht mitbekommen konnte, dass ihr kleines Mädchen jetzt schon 30 Jahre unoperiert lebt und für viele Ärzte ein Wunder ist.




Eigentlich habe ich ein ganz normales Leben geführt... Okay, bis auf meine Einschränkungen aber dazu komme ich nachher.... Meine Eltern haben mich damals nicht in Watte gepackt. Ich war in einem normalen Kindergarten und in einer normalen Grundschule (okay ich musste vorsichtshalber die Vorschule besuchen weil man nicht wusste ob ich mich einen ganzen Tag lang konzentrieren könne). Danach habe ich zwar eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen, aber ich sollte vorsichtshalber auf die Realschule. Vom Sport war ich immer befreit, habe trotzdem soweit es ging mitgemacht und wurde auch bewertet (im Zeugnis stand immer  "vom Sport befreit. Note fließt nicht in den Durchschnitt mit ein").Ich habe meinen Abschluss gemacht und bin auf ein Wirtschaftsgymnasium, welches ich auch abgeschlossen habe. Und ich habe 2 Ausbildungen gemacht... Kauffrau im Gesundheitswesen und Hotelfachfrau. Und ich habe sogar für einige Zeit im Ausland gelebt.





Aber jeder weiß, Kinder (genauso manche Erwachsenen) können grausam sein... Es fielen oft so Sachen wie "behindertes Kind" "Mit dir will ich nicht spielen, du musst ja eh immer pause machen" "du bist viel zu langsam" "Stell dich nicht so an" und und und. Aber Hey, ich hab auch diese Phase gemeistert.

Irgendwann ging es mal darum bei mir die sogenannte Fontan-OP durchzuführen. Ich hatte also sämtliche Voruntersuchungen aber im letzten Moment hieß es "Es tut uns Leid, aber es geht Ihnen so gut, wir trauen uns nicht da was zu machen" Nach dem Prinzip "Never change a running System"

Alle 3 Monate renne ich jetzt also nach Heidelberg und lasse mich brav untersuchen, aber der Zahn der Zeit nagt auch an mir und in den letzten Jahren ging es mir immer schlechter. Ich bin nicht mehr so belastbar wie sonst (auch wenn ich nie sehr belastbar war) und da ich jetzt zu alt bin für diese Fontan OP (ich glaube das zwar nicht aber was solls) warte ich nun auf ein neues Herz. Ja richtig! Ich bin angewiesen auf Organspender... Zwar noch, wie man sagt, "Ganz unten auf der Liste" aber auch meine Zeit wird irgendwann kommen. Bisher habe  ich noch nicht wirklich Angst davor. Eher im Gegenteil. Ich kann es kaum abwarten "normal" zu sein und endlich mal ein relativ normales Leben zu führen, Sport zu machen und mal nicht außer Puste zu sein, wenn ich nur ein paar Stufen nehme...
Bis dahin habe ich aber noch ein bisschen Zeit und muss mit meiner Einschränkung leben.

Ich hatte in meinem Leben viele Up´s und Down´s. Irgendwann kommt man in die Phase in der man sich selber hasst und sich als Abschaum sieht. Man bekommt mit voller Wucht mit, wie "anders" man eigentlich ist und wie sehr man die anderen dadurch "belästigt". Ausserdem bekommt man alles was Spaß macht verboten (ich zum beispiel wollte unbedingt Flöte spielen aber hatte die Luft ja nicht). Meine Mutter hatte mir damals gesagt ich solle mir ein Blatt nehmen und es in der Mitte knicken... Auf die eine Seite sollte ich schreiben was ich alles kann und auf die andere Seite was ich nicht kann. Dann durfte ich das Blatt aufklappen und vergleichen. Natürlich war die Liste der Sachen, die ich konnte länger und das hat ein wenig geholfen.
Ich konnte nie Großartig Fahrrad fahren, oder Inliner... Ich konnte nie Sport im Verein machen oder ein Blasinstrument spielen, aber im Laufe der Jahre habe ich aber viele Menschen kennen gelernt, die mich als der Mensch gesehen haben, der ich bin. Einer meiner Klassenlehrer wollte zum beispiel nicht, dass ich bei einem Fahrradausflug der Klasse zu Hause bleiben musste. Also hat er einen Anhänger an sein Fahrrad gehängt und mich darin hinter sich her gezogen. So konnte auch ich dabei sein. :)
Und auch jetzt habe ich Freunde, die hinter mir stehen und mich unterstützen wenn was ist, aber die mich aber auch nicht mit Samthandschuhen anfassen... Wenn sie wandern gehen, machen sie das entweder an einem Tag, an dem ich eh arbeite oder sie wandern auf eine Hütte an die ich mit dem Auto fahren kann. Auch mein Partner steht hinter mir... Und das obwohl er ganz genau weiß, das wir niemals eigene Kinder haben werden. Denn das ist das einzige was mich noch immer extrem runter zieht!^^

Wer heutzutage mit einem Herzfehler auf die Welt kommt (immerhin 1% aller Neugeborenen), hat die besten Voraussetzungen auf ein normales Leben, denn die Medizin ist soweit vorangeschritten, dass Kinder im Alter weniger Tage schon am Herzen operiert werden können. Mittlerweile kann ein Septumsdefekt (übrigens der Häufigste angeborene Herzfehler) schon Minimalinvasiv geschlossen werden. Dafür zum Beispeil war früher eine Aufwendige operation am offenen Herzen notwendig. Heutzutage kommen die Kinder ins Krankenhaus, bekommen während einer Herzkatheteruntersuchung
einen kleinen Schirm in das Loch gesetzt und es bleibt nichts weiter als eine kleine Narbe in der Leiste.
Ich finde das wirklich faszinierend. Die Wahrscheinlichkeit alt zu werden ist für Menschen mit Herzfehlern also extrem angestiegen...

Ich habe durch meine Krankheit ganz viele wundervolle Menschen kennengelernt und sie als tolle Freunde gewonnen. Egal ob selbst Betroffene oder Angehörige. 
Wer sich wegen seines Herzfehlers einigelt, macht sich in meinen Augen selbst zum Außenseiter. Ich finde man muss mutig sein und sich der Welt stellen. Zeig was du hast und steh dazu! Es gibt immer Menschen die dich deswegen bewundern und Wert schätzen! Auf den Rest kannst du getrost verzichten!



Vorgestern konntet ihr den Beitrag von Aileen lesen und am sonntag den Mana. Wenn ihr alle Blogs sehen wollt, die an der Blogparade teilnehmen nutzt doch die Imagemap in meinem Ankündigungen Post :) 



7 Kommentare:

  1. Hallo Tanja,

    ein sehr schöner Beitrag. :)

    Es ist bewundernswert, die du mit deiner Erkrankung umgehst. Man macht sich im Leben um so viele "unwichtige" Dinge Sorgen, aber vergisst das wesentliche. Den Dank dafür, dass man gesund ist.

    Du zeigst mir, dass man das Positive im Leben sehen, suchen und finden sollte. Dass man sich nicht davon schwächen lassen sollte, was andere sagen und wie sie einen darstellen.

    Kann man das eine nicht gut, dann kann man vielleicht anderes viel besser.

    Diese Dinge zu suchen ist wahrscheinlich auch sinnvoller, als sich immer wieder zu sagen: Ich kann das nicht.

    Es ist schön zu sehen, wie positiv du mit allem umgehst und anderen damit auch den Mut gibst nicht aufzuhören, egal was kommt.

    Vielleicht war es dein Kampfgeist, der dich länger und besser hat leben lassen, als die Ärzte es gesagt haben.

    Liebe Gruße
    Nuriyya :)

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  2. Hallo Tanja, eine heftige Krankheit, und dennoch lese ich aus Deinen Zeilen und den Fotos heraus, daß Du ein sehr lebensfroher Mensch bist. Ich denke genau diese Eigenschaft ist es, die diese Krankheit erträglich macht. Hut ab. Du berichtest von Deiner Kindheit, Die Probleme die Du beschreibst, das dabeisein, das verzichten und die Grausamkeit anders zu sein, haben Dich zu einer ganz starken Persönlichkeit gemacht. Danke für diesen tollen Artikel. Liebe Grüße Ulrike

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  3. Toller Beitrag! Meine Stiefschwester hat auch einen angeborenen Herzfehler. Ihr Herz ist scheinbar "falsch rum" wie der Arzt es uns leicht verstaendlich versucht hat zu erklaeren. Sie musste mit ihren 14 Jahren bereits einige Male am offenen Herzen operiert werden und ist wie du schnell aus der Puste und etwas uebergewichtig da sie sich wenig bewegt. Trotzdem ist die sehr aufgeweckt und ein sehr liebes Maedchen. Sie lacht sehr viel und hat selten schlechte Laune.
    Ich finde es uebrigens Hammer toll was dein Lehrer gemacht hat! Fuer mich sind solche Leute es wert Helden genannt zu werden. Denn genau davon brauchen wir mehr.., Alltagshelden, die Menschen mit einer Einschraenkung oder Behinderung nicht einfach aus Bequemlichkeit zuruecklassen sondern mit einbeziehen!

    LG Rin

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  4. Toller Beitrag! Meine Stiefschwester hat auch einen angeborenen Herzfehler. Ihr Herz ist scheinbar "falsch rum" wie der Arzt es uns leicht verstaendlich versucht hat zu erklaeren. Sie musste mit ihren 14 Jahren bereits einige Male am offenen Herzen operiert werden und ist wie du schnell aus der Puste und etwas uebergewichtig da sie sich wenig bewegt. Trotzdem ist die sehr aufgeweckt und ein sehr liebes Maedchen. Sie lacht sehr viel und hat selten schlechte Laune.
    Ich finde es uebrigens Hammer toll was dein Lehrer gemacht hat! Fuer mich sind solche Leute es wert Helden genannt zu werden. Denn genau davon brauchen wir mehr.., Alltagshelden, die Menschen mit einer Einschraenkung oder Behinderung nicht einfach aus Bequemlichkeit zuruecklassen sondern mit einbeziehen!

    LG Rin

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  5. Ich finde es wirklich bewundernswert, wie du mit deiner Erkrankung umgehst. Es ist sicher nicht leicht, weil es ja etwas ist, was dich täglich betrifft.
    Ich finde es wirklich toll, dass du "normal" lebst und dich nicht vor den Dingen versteckst, die das Leben mit sich bringt.

    Natürlich kann ich deine Sehnsucht nach einem Leben ohne Einschränkung verstehen, jedoch wünsche ich dir, dass du noch ganz lange ohne Transplantation auskommst.

    Bleib wie du bist :)

    Liebe Grüße

    Love.Heart.Peaches

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  6. Das ist ein sehr schöner Beitrag.
    Ich finde es toll, dass du diesen Mut aufbringst und andererseits finde ich es sehr traurig, dass du dir so oft solche fiesen Sätze anhören musstest. Aber Kinder können echt gemein sein... Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke^^
    Ich finde es ebenso traurig, dass deine Mutter so früh verstarb und nicht mitbekommen konnte, was für ein tapferes Mädchen sie hat. Aber sie ist sicher verdammt stolz auf dich, weil das, was du erreicht hast, schafft nicht jeder.

    Liebe Grüße!
    Tamina
    http://www.rosendornen.com

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  7. Auf diesem Weg möchte ich mich bei allen Lesern bedanken. Der Text ist mir wirklich schwer gefallen aber durch euer Feedback habe ich gemerkt, dass es gar nicht so schlecht war ;)
    Also DANKE an euch alle für eure lieben worte!!!

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